BUNDESREGIERUNG VERABSCHIEDET ECKPUNKTEPAPIER ZUR CANNABISLEGALISIERUNG
Am 26. Oktober 2022 hat die Bundesregierung ein detailliertes Eckpunktepapier mit ihrem Plan zur Legalisierung des Konsums von Cannabis zu Genusszwecken verabschiedet.
Danach soll Cannabis (Pflanze, Cannabisharz) und THC künftig rechtlich nicht mehr als verbotenes Betäubungsmittel eingestuft werden. Genusscannabis, Medizinalcannabis und Nutzhanf werden vollständig aus dem Anwendungsbereich des BtMG ausgenommen und die jeweiligen rechtlichen Rahmenbedingungen werden in einem gesonderten Gesetz festgelegt. Das Konzept soll nun von der EU-Kommission auf seine europa- und völkerrechtliche Umsetzbarkeit geprüft werden. In Abhängigkeit des Votums der EU-Kommission soll in der Folge ein konkreter Gesetzentwurf vorgestellt werden.
Nachfolgend die zentralen Inhalte des Eckpunktepapiers im Detail:
I. Mengen und Obergrenzen
Der Besitz und Erwerb von 20 bis 30 Gramm Genusscannabis soll ab 18 Jahren grundsätzlich straffrei sein.
Eine THC-Obergrenze soll es abweichend von dem vor wenigen Tagen geleakten Eckpunktepapier nicht mehr geben. Aufgrund erhöhter Gesundheitsrisiken ist die Entscheidung über eine (praktisch wohl nur schwer kontrollierbare) THC-Obergrenze für unter 21-jährige Käufer allerdings noch nicht gefallen.
Der Eigenanbau von bis zu drei weiblichen Cannabispflanzen, die vor dem Zugriff von Kindern und Jugendlichen geschützt werden müssen, wird erlaubt. Der Verkauf von Samen und Setzlingen wird reguliert.
II. Vertriebsstruktur für Cannabis zu Genusszwecken
Die kontrollierte Abgabe von Cannabis soll in behördlich lizensierten und überwachten Geschäften stattfinden. Die Standorte werden dabei reguliert: So soll es Mindestabstände zu Schulen sowie Kinder- und Jugendeinrichtungen geben.
Abgabestellen müssen Auflagen in Bezug auf Sachkunde, Beratung und räumliche Lage erfüllen. Bei jedem Kauf soll ein Beratungsgespräch angeboten werden. Darüber hinaus sollen bei Verkauf von THC-haltigen Produkten aufklärende Informationen mitgegeben werden, die dem Produkt beiliegen und zusätzlich über einen QR-Code auf der Verpackung abrufbar sein sollen.
Erwogen wird zudem, den Verkauf in Apotheken zuzulassen, um den Schwarzmarkt auch in ländlichen Räumen einzudämmen. Das Eckpunktepapier legt die Einbeziehung von Apotheken allerdings noch nicht verbindlich fest.
Ob und inwieweit ein Online- bzw. Versandhandel an Privatpersonen durch behördlich zugelassene Geschäfte erlaubt werden soll, ist noch offen. Es soll jedenfalls ein vergleichbares Sicherheitsniveau auch im Online-Handel gewährleistet werden.
III. Anbau in Deutschland beabsichtigt durch lizensierte Hersteller und Vertreiber
Die Erzeugung, Aufbereitung, Lagerung, der Transport und der Verkauf von Genusscannabis sollen nur erlaubt sein, wenn ein Lizenznehmer vom Lizenzgeber ein Recht (Lizenz) für die Ausübung der Tätigkeit erhalten hat. Lizenzgeber sind Behörden des Bundes bzw. der Bundesländer.
Cannabis zu Genusszwecken soll ausschließlich in Deutschland angebaut werden. Ein Import ist nicht vorgesehen. Die Produktionskapazitäten sind bisher allerdings hierfür nicht ausreichend, sodass offen bleibt, wie der Bedarf jedenfalls in der Übergangsfrist bis zum Aufbau entsprechender Anbaumöglichkeiten ohne Importe gedeckt werden soll.
Lizenznehmer der zeitlich befristeten und mengenabhängigen Lizenzen können natürliche und juristische Personen sein, die folgenden Ansprüchen genügen müssen:
Nachweis der erforderlichen Zuverlässigkeit (ähnlich wie im Gewerberecht)
Nachweis der erforderlichen Sachkunde des Antragstellers oder der mit der Leitung des Geschäfts beauftragten Person,
Nachweis des Eintrags des wirtschaftlich Berechtigten in ein Unternehmensregister der EU,
Nachweis einer im Verhältnis zum beantragten Lizenzumfang ausreichenden finanziellen Bonität.
Die Laufzeit der Lizenz soll zeitlich befristet sein und auf Antrag mehrmals verlängert werden können. Für die jeweilige Lizenz soll zudem ein Mengenumfang festgelegt werden.
Genusscannabis ist auf allen Stufen der Lieferkette vor dem unberechtigten Zugriff Dritter zu schützen.
IV. Verpackung und Werbung
Eine Öffentlichkeitswerbung für Cannabis zu Genusszwecken bleibt untersagt.
Informationen auf der Umverpackung und der Packungsbeilage werden detailliert (ähnlich wie im Arzneimittelbereich) festgelegt.
V. Preisbildung / Besteuerung
Ein einheitlicher Abgabepreis für bestimmte Cannabissorten in den lizensierten Geschäften wird im Eckpunktepapier nicht erwähnt. Offenbar ist eine freie Preisbildung durch die jeweiligen Geschäfte beabsichtigt.
Cannabis soll der Umsatzsteuer sowie einer Verbrauchsteuer unterliegen. Ziel ist ein Endverbraucherpreis, welcher dem Schwarzmarktpreis nahekommt.
Eingeführt werden soll eine lineare Besteuerung anhand des THC-Gehalts (x Euro je Gramm THC-Gehalt).
V. Straßenverkehr
Ob die geltenden THC-Grenzwerte für Cannabis im Straßenverkehr erhöht werden müssen, soll unter Einbeziehung der einschlägigen Fachgremien festgestellt werden. Das Eckpunktepapier enthält hierzu noch keine Aussage.
Notifizierungsprozess und geschätzter Zeitrahmen für die Liberalisierung
Bundesgesundheitsminister Lauterbach erläuterte in der Pressekonferenz am 26.10.2022, dass eine enge Abstimmung mit der EU-Kommission entscheidend für eine Umsetzung der Eckpunkte sei.
Aus diesem Grund ist nun geplant, der Kommission die Eckpunkte im Rahmen einer informellen Konsultation zur europarechtlichen Prüfung vorzulegen.
Wenn die EU-Kommission grundlegende Bedenken gegen das vorgestellte Regelungskonzept äußert, werde es, so der Minister, nicht umgesetzt. Hiervon gehe das Bundesgesundheitsministerium jedoch nicht aus, weil sich nach dessen Auffassung der Zweck der völkerrechtlich vereinbarten Vertriebsverbote für Cannabis zu Genusszwecken durch die regulierte Liberalisierung besser erreichen lasse als durch die bisherigen Verbote. Denn, so der Minister, wenn nach Studien ca. 25% der Heranwachsenden regelmäßig Cannabis konsumierten, sei ein strenges Verbot faktisch gescheitert.
Ob eine Rückmeldung der EU-Kommission noch in diesem Jahr eingeht, gilt derzeit als offen. Erst wenn die Kommission “grünes Licht gibt“, soll im Anschluss der Gesetzentwurf auf der Grundlage des Eckpunktepapiers ausgearbeitet und im Laufe des Jahres 2023 in den Bundestag eingebracht werden. Zudem müsste anschließend noch das formale Notifizierungsverfahren nach der europäischen Transparenzrichtlinie durchlaufen werden. Da die Kommission die Eckpunkte des Vorhabens bereits vorab im Rahmen der informellen Konsultationen bewertet haben wird, wäre dann im formellen Notifizierungsprozess, so das Bundesgesundheitsministerium, normalerweise kein Widerspruch gegen das Vorhaben mehr zu erwarten.
In der Bundespressekonferenz am 26.10.2022 ging Minister Lauterbach nicht davon aus, dass der Konsum zu Genusszwecken bereits im nächsten Sommer möglich sei und verwies hierzu auf die Komplexität des eine Vielzahl von Regelungsbereichen betreffenden Gesetzgebungsvorhabens.
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