Die wichtigsten Forderungen des DHV an die Ampel-Koalition waren schon lange auf der DHV-Seite zu finden: Sofortige Entkriminalisierung der Konsumenten, Eigenanbau, Führerschein, Amnestie. Nun stellen wir unsere Eckpunkte mit vielen Details zur Regulierung des Cannabismarktes vor, mit denen wir vor allem die Sicht von Konsumenten und privater Legalisierungsbefürworter einbringen wollen. Damit bilden wir als Lobby ein Gegengewicht zu unternehmerischen Interessen und grundsätzlich ablehnenden Kräften, z.B. den Polizeigewerkschaften. Bei manchen Punkten gibt es keine einheitliche Meinung der Community. Wir freuen uns in diesem Sinne über konstruktive Kommentare.
Stand 25.07.2022
Vorwort
Die Argumente, warum die Legalisierung von Cannabis sinnvoll ist, hat der DHV in den letzten 20 Jahren an anderen Stellen zuhauf geliefert und wiederholt. Nachdem die Ampel-Koalition nun die Legalisierung von Cannabis grundsätzlich beschlossen hat, soll es hier darum gehen, wie die Regulierung des Marktes aussehen sollte.
Der Gesetzentwurf der Grünen für ein Cannabiskontrollgesetz (1) ist eine sehr gute Diskussionsgrundlage. Mit seinen ca. 70 Seiten und seiner juristischen Sprache ist er aber auch unübersichtlich.
Hier stellen wir Eckpunkte für die Cannabislegalisierung zur Diskussion, die uns wichtig erscheinen und die wir in die politische Debatte einbringen wollen. Im April 2022 veröffentlichten wir unseren Entwurf, um Feedback aus der Community einzuholen.
Durch konstruktive Kommentare über verschiedene digitale Medien und insbesondere durch die Diskussion über Details der Regulierung mit Aktivisten, Politikern und Wissenschaftlern auf der Cannabis Normal! Konferenz (2) konnten wir viele Fragen klären und differenziert ausarbeiten. Das Ergebnis ist dieses finale Eckpunktepapier.
Unser Leitgedanke dabei: grundsätzlich besteht kein Grund, Cannabis stärker zu regulieren als Alkohol. Insbesondere für Erwachsene ist das Risiko des Cannabiskonsums geringer einzustufen als der von Alkohol. Regulierungsvorschläge, die hier für Cannabis unterbreitet werden, sollten demnach konsequenterweise auch für Alkohol und Tabak Anwendung finden.
Falls es zur Definition von Obergrenzen kommt, z.B. Besitzobergrenzen zuhause oder in der Öffentlichkeit, was wir in den meisten Fällen ablehnen, muss es bei kleineren Überschreitungen kulante Sanktionen mit geringen Bußgeldern im Rahmen des Ordnungsrechts geben. Es darf nicht bei jedem Gramm zu viel sofort die volle Härte des bisherigen Strafrechts einsetzen.
Unsere Vorschläge in diesem Papier beziehen sich auf Hanfprodukte, deren THC-Gehalt höher liegt als die EU für Nutzhanf vorschreibt und die damit geeignet sind, einen Rausch zu erzeugen. Derzeit sind das 0,3 Prozent THC, wobei wir eine moderate Erhöhung des Wertes vorschlagen. Auch ein etwas höherer Wert würde den Konsum als Rauschmittel ausschließen, den Landwirten und Produzenten aber ermöglichen, das volle Potential der Pflanze zu nutzen.
Verkauf in Fachgeschäften
Cannabis sollte nur in Cannabis-Fachgeschäften verkauft werden und nicht in Supermärkten, Tankstellen, Kiosken etc. Auch Apotheken sind nicht geeignet, Cannabis als Genussmittel zu verkaufen, ebensowenig wie Bier und Spirituosen.
Die Fachgeschäfte brauchen eine staatliche Lizenz, die ihnen bei Nichtbeachtung der Regeln wieder entzogen werden kann.
Die Fachgeschäfte sollten optional Konsum vor Ort anbieten dürfen, ähnlich wie die niederländischen Coffeeshops.
Verkauft werden darf ausschließlich an Personen ab 18 Jahren mit Ausweiskontrollen (3).
Wir halten eine Mengenbegrenzung pro Verkaufsvorgang und für den Besitz in der Öffentlichkeit nicht für notwendig. Bei Alkohol gibt es schließlich auch keine Obergrenze und wir erwarten keinen Weiterverkauf in größerem Umfang von Ware aus den Fachgeschäften, weil der Preis dort wahrscheinlich nicht wesentlich unterhalb des Schwarzmarktniveaus liegen wird. Eine Abgrenzung zwischen privatem Besitz und kommerziellem Handel über die erlaubte Menge ist deshalb nicht erforderlich.
Auch das Verschenken von Cannabis oder das Weitergeben gegen Erstattung des Einkaufspreises (“etwas mitbringen”) darf nicht bestraft werden. Erst wenn bei der Weitergabe ein Gewinn gemacht wird, handelt es sich um lizenz- und steuerpflichtigen Handel.
Ausführliches Info-Material zu Hilfsangeboten sowie zu Wirkungen, THC-CBD-Verhältnis und den Risiken des Konsums muss in den Fachgeschäften sichtbar zur Verfügung stehen.
Lizenzierte Fachgeschäfte dürfen ihre Ware auch online anbieten. Der Jugendschutz wird bei Bestellung durch eine zweistufige Alterskontrolle sichergestellt: vor der Bestellung durch den Händler und bei Zustellung durch eine Ausweiskontrolle bei Übergabe, wie bereits bei Tabak üblich (4,5).
Das in Deutschland geltende Verbot von Hanfsamen sollte aufgehoben und eine regulierte Produktion von Saatgut ermöglicht werden. Auch Hanfpflanzen/-stecklinge und -samen werden im Fachgeschäft bzw. im Online-Handel verkauft (6).
Neben den Fachgeschäften selbst sollte es auch anderen Gastronomen erlaubt werden, den Konsum von Cannabis zu gestatten, sofern der Zugang zur Lokalität nur Erwachsenen erlaubt ist. Beim Rauchen von Cannabis in der Öffentlichkeit gelten die gleichen Regeln wie bei Tabak.
Verkaufspersonal/Ausbildung
Das Verkaufspersonal sollte einen Sachkundenachweis vorbringen. Eine offizielle Berufsausbildung ist nicht notwendig, aber Schulungen oder Workshops von einigen Wochen. Weitere Fortbildungen bieten sich an, um auf dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand zu bleiben.
Voraussetzung für diese Art von Arbeit sollte, analog zu den Anforderungen der IHK für Fachverkäufer im Genussmittelbereich, Freude an der Arbeit mit Menschen (Empathie) und Interesse an der Ware sein.
Tiefere Kenntnisse sollten in folgenden Bereichen vermittelt werden:
Sortenauswahl,
Konsumformen und Dosierung,
rechtliche Rahmenbedingungen,
akute Wirkungen und Nebenwirkungen,
Risiken des Konsums,
Erste-Hilfe bei Überdosierungen, wenn Konsum vor Ort gestattet,
Safer Use Beratung,
Wichtigkeit von Kenntnissen über lokale Anlaufstellen, Notfallnummern etc.
Grundkenntnisse sollten in folgenden Bereichen vermittelt werden:
Grundsätzliche Wirkweise über das Endocannabinoidsystem/Cannabinoidrezeptoren
medizinische Anwendungsbereiche,
versch. Wirkweisen bei Variationen von Terpenenprofil und Cannabinoidanteilen,
Cannabiskultivierung,
Kulturgeschichte.